Ruth Otto

Ruth Otto:

Backe, backe Kuchen

Das ehemalige Backhaus ist heute ihr Wohnzimmer, der einstige Backofenbereich dient als Badezimmer und wo noch bis vor knapp 30 Jahren Backvorräte auf die Verarbeitung warteten, lässt sich Bäckermeister-Witwe Ruth Otto in ihrem gemütlichen Sessel zur Lektüre von Zeitung und Büchern nieder.

Als sie 1944 als 16jährige bei der Bäckerei Kunze in der Jägerstraße ihre Lehre zur Bäckereifachverkäuferin begann, „begegnete mir Klaus schon am allerersten Tag“, erzählt sie.
Jener Klaus, der seine Bäckerlehre in Kunzes Backstube absolvierte und sechs Jahre später, nach Kriegswirren und Wiederaufbau ihr Mann wird.

Im gleichen Jahr übernimmt das im Wortsinne „frisch gebackene“ Ehepaar Kunzes Bäckerei in der Jägerstraße und führt sie durch alle Höhen und Tiefen über 36 Jahre.

Gemeinsam erleben sie, wie „ihre“ Südstadt gegenüber dem Stahldorf allmählich bunt wird, auch fremde Sprachen im Verkaufsraum klingen, in gebrochenem Deutsch Brötchen, Brot und süßen Verführungen verlangt werden und man auch mit der Kundschaft aus vielen unterschiedlichen Ländern auf „du und du“ zusammenwächst.

Außer Lehrlingen, Gesellen und Verkäuferinnen werden übrigens auch die beiden Bäckermeister-Töchter in dem Unternehmen beschäftigt – letztere übrigens als frühmorgendliche Brötchen-Botinnen für die Stammkundschaft.

1986 verkaufte Ruth Otto die letzten Brötchen und Brote, die Bäckerei schloss für immer, denn der Familiennachwuchs entschied sich für Berufsausbildungen jenseits des Bäckerhandwerks.

Eine Frühaufsteherin ist die Bäckermeister-Witwe Otto bis heute geblieben. Neben der Malerei ist das Backen eine ihrer liebsten Leidenschaften geblieben: „Die Rezepte meines Mannes hüte ich wie einen Schatz!“, sagt sie und bietet Gebäck und Kuchen aus eigener Produktion an.

Der einstige Bäckerei-Verkaufsraum ist inzwischen – zumindest an jedem Donnerstagnachmittag – wieder zu einem Südstadt-Treffpunkt geworden, seit Bäckermeister-Tochter Sabine Schymosch dort ihre Krimi-Stube eingerichtet hat.

Mein persönlicher Lieblingsplatz in der Südstadt ist (schaut sich um und lacht) mein Wintergarten!

Die Südstadt ist für mich sehr reizvoll, weil sie meine Heimat ist.

Ich wünsche mir für die Südstadt, weniger leer stehende Häuser.

Ich wünsche mir in der Südstadt mehr Einzelhandelsgeschäfte.

In der Südstadt gefällt mir nicht die Lautstärke des Werkes mitten in der Nacht.

In der Südstadt vermisse ich einen Friseur und einen Schlachter.

Aus der Südstadt ziehe ich nicht weg, weil sie meine Heimat ist. Weil sie meine liebe Heimat ist – mit all ihren Menschen, Häusern und Straßen.